Wir lieben unsere Hunde und tun alles, damit es ihnen an nichts mangelt. Schicke Halsbänder, weiche Bettchen, Beschäftigungskurse und natürlich jede Menge Snacks. Es macht Spass, die Vierbeiner nach Strich und Faden zu verwöhnen. Ja, es tut uns einfach gut. Umso ernüchternder, wenn es dann trotz der ganzen Aufmerksamkeit und liebevollen Hingabe mit der Erziehung nicht klappen will.
Was trotz unserer Fürsorge häufig ausser Acht gelassen wird, sind die ureigenen Bedürfnisse eines Hundes. Als Rudeltier braucht er ein klares Sozialgefüge. Dieses muss er – wie lange angenommen – keinesfalls selber anführen. Er will sich aber einordnen können und die Führung einem anerkanntermassen überlegenen Sozialpartner übergeben. Doch genau das ist das Problem unserer «Guetzli-Gesellschaft»: Während der Hund einen starken Leader braucht, an dem er sich orientieren kann, machen wir für ihn den treuen Vasallen. Wenn er stupst, wird er gestreichelt, wenn er lieb schaut, fliegt ihm das Leckerli in den Fang, wenn er winselt, geht die Terrassentür auf. Und auch draussen geht es immer der eigenen Nase nach, was das «andere Leinenende» (aus-) hält. So lernt der Hund im Alltag schnell, dass er seine Menschen nach eigenem Gusto lenken und manipulieren kann.
Doch was schliesst der Hund daraus? In seiner Welt ist derjenige überlegen, der den anderen steuert. Ein neues Rudelmitglied beobachtet ganz genau, wer in der bestehenden Sozialstruktur wen «bewegt» und wer entscheidet. Dabei geht es nicht darum, wer der Strengste, Grösste, Lauteste ist. Wichtig für die eigene Positionierung ist, welches Rudelmitglied souveräne Entscheidungen trifft und wie sie von den anderen umgesetzt werden. An diesem Hund orientiert sich der Neuzugang, er gibt ihm die nötige Sicherheit, auf die er sich in jeder Situation verlassen kann.
Wer permanent auf seinen Hund eingeht und ihn zum Nabel der Welt macht, wird sich diese Position nicht erarbeiten. Er wird seinem Hund nicht imponieren und sich schwer damit tun, die für seine Erziehung nötige Akzeptanz zu erlangen. Wer ihn dagegen auch einmal ignoriert und seine eigenen Bedürfnisse und Absichten demonstrativ in den Vordergrund stellt, macht Eindruck. Dafür reicht es schon, den Hund einfach mal bewusst für eine gewisse Zeit nicht anzuschauen, anzusprechen, anzufassen oder sonst wie zu bespassen. Ganz getreu dem bekannten Motto: Willst du gelten, mach dich selten!